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Daniela Gregori

ZWISCHEN HIER UND DORT: EINE VERDICHTUNG

Im Metier des Schreibens ueber Kunst ist es ein Privileg, nicht nur ein Werk, sondern auch dessen Autor persoenlich zu kennen oder gekannt zu haben, eine Selbstverstaendlichkeit ist es mitnichten. Allerdings birgt die gewisse Unvoreingenommenheit, die der Blick auf ein Werk losgeloest von seinem Autor mit sich bringt, womoeglich auch Chancen. Keine Erinnerungen, keine Eindruecke, keinerlei Anekdoten, nicht einmal ein Apercu aus erster Hand hatten sich in mir festgesetzt, als ich dem Werk Michael Vonbanks erstmals in seinem ehemaligen Atelier begegnete. Christian Ludwig Attersee, sein Lehrer an der Wiener Hochschule fuer angewandte Kunst konnte als Gewaehrsmann befragt werden und urteilt: "Fuer mich auf alle Faelle eine hochtalentierte Person mit einer eigenstaendigen Handschrift und hohen Intelligenz ausgezeichnet". Ist doch Vonbank immerhin einer von zwei Studenten, mit denen sich Attersee jemals auf das Wagnis von Gemeinschaftsarbeiten hatte einlassen. Bald zwei Jahre kreisen meine Gedanken nun seit dem ersten Besuch im Atelier Michael Vonbanks um das Gesehene. Immer wieder wurden spaeter Texte gelesen, Werke und Werkgruppen verglichen, der Versuch gestartet, Zusammenhaenge mit disparart erscheinenden Artikulationen herzustellen. Stets mit dem Gefuehl, etwas Naheliegendes, was einem als Schluessel dienen koennte, nicht oder zu wenig wahrgenommen zu haben.

Exterritoriale Seelenlandschaften

"Mensch, Tier, Daemon: Die Kehrseite meines Seins" ist der Titel seiner Diplomarbeit, mit dem er das Studium in der Meisterklasse fuer Malerei bei Attersee abschliesst, um sich bald darauf mit der skulpturalen Werkserie "Daemonen 1-6" in der Klasse für Bildhauerei bei Bruno Gironcoli zu bewerben. Ersteres mag nicht nur als Thema einer Arbeit gelten, es ist das zentrale Thema von Vonbanks Zeichnungen und Malerei. Es ist diese Interaktion von Wesen, mal Mensch, mal Tier, mal phantastisch, immer klar umrissen, meist kraeftig farbig, nie Furcht einfloessend. Ihr Aussehen ist archetypisch, das (Bild-)feld auf dem sie sich bewegen, zweifelsfrei lediglich ein Ausschnitt eines regen Treibens auf weitlaeufigem Terrain. Der Kuenstler, so moechte man meinen, pflegt ein verstaendnisvolles Verhaeltnis mit der Kehrseite seines Seins und man ist geneigt, fuer diesen Einblick den Begriff der Seelenlandschaft zu bemuehen. Doch agiert dieses Personal mit einer ueberaus vertrauten und beruhigenden Selbstverstaendlichkeit. Hier ist die eine Seite, dort die andere, die Grenze zieht der Kuenstler ebenso wie er die Richtung vorgibt, wer sonst sollte derlei von mal zu mal definieren? Und so schafft sich Vonbank mit Malerei an den Waenden nicht nur Buehnen fuer die eigene Aktion oder laesst die Cutouts seiner zauberhaften Archetypen ihr Wesen in unserer Realitaet treiben, ebenso schafft mit Leinwaenden begehbare Raeume. Bei den Skulptur gewordenen Daemonen scheint es sich, allerdings in einer zeitlichen Abfolge, aehnlich zu verhalten. Das Behaeltnis eines alkoholischen Getraenks wurde geleert, doch formiert sich nun auf der anderen Seite des Glases Pappmaché zum Flaschengeist und wird damit zum Synonym von Hochprozentigem und dessen Wirkung. Hier und Dort, was die beiden trennt, findet als kuenstlerische Geste ihre Verbindung. Das bleibt auch fortan mit den Arbeiten von 2002 bis 2008, zusammengefasst und publiziert ist diese Werkphase unter dem Titel "Gegenwelten – eine Zusammenkunft". Im taeglichen Leben wird der feinsinnige Kuenstler mit dem Thema Migration mit ganz anderen Parallelgesellschaften konfrontiert. Auch hier finden sich zwei Positionen ebenbuertig, auch hier ist es die Intervention des Kuenstlers, die verbindet. Haben Paare nicht unabhaengig von ihrer nationalen Herkunft oder Konfession die gleichen suessen, auch sexuell konnotierten Traeume? Und, noetigt man den auslaenderfeindlichen Einheimischen seine Parolen in einer Fremdsprache zu aeußern, klingen die Artikulationen aehnlich unbeholfen, wie jener Gruppe von Menschen, die dieser angreift. Ob nun der Umgang mit der Kehrseite des Seins oder mit Menschengruppen, die als fremd wahrgenommen werden, Egalitaet ist fuer Michael Vonbank ein Standpunkt, von dem es sich aus in alle Richtungen blicken laesst.

Unmittelbarkeit von Sprache und Linie

Lucas Gehrmann erinnert in einem Beitrag im Katalog "Gegenwelten – eine Zusammenkunft" ueber das Privileg einer dieser spontanen Situationen der Produktivitaet am Biertisch eines Wiener Beisels beizuwohnen. "Wer je eine der raren und unvorherbestimmbaren Situationen erlebt hat, in denen Michael Vonbank Texte, Gedichte, "Verdichtetes" spontan zum Besten gibt, wird so wie ich empfunden haben, dass diese Artikulationen von einer gleichsam unergruendlichen Tiefe heraussprudeln, als verbalisierte Feuerungen tief im Gehirn liegender Synapsen nach außen dringen und als Wortverknüpfungen und Satz-Gebilde einer eigenen Logik zu folgen scheinen, die andere und mehr Zusammenhaenge herzustellen vermag als jene linearen, wie sie ein Satz wie dieser hier zum Beispiel folgert." Es ist dies ein schnelles Denken, eine Flut von Assoziationen, eine Galerie an Wortgebilden, kaum dass es sich einfangen lassen wuerde. Kairos, die Personifizierung des geglueckten Augenblicks muss man an der Stirnlocke seines geschorenen Hauptes fangen, Vonbank nimmt dies selbst in die Hand, wenn er uns Einblick gewaehrt in seine Denk- und Bildwelt. Texte werden spontan notiert oder fuer die spaetere Niederschrift auf Band konserviert, und im Vergleich zu den bildnerischen Arbeiten faellt spaetesten hier auf, dass seine Figuren ebenso aus einer durchgehenden Linie gebildet werden. Schrift wie Figur entstehen in einer rasanten Unmittelbarkeit vom Gedanken zur dessen Vertextlichung und Visualisierung. Hatte Vonbank in diesem Zusammenhang nicht selbst von "Verdichtung" gesprochen? Ist das nicht womoeglich der "missing link" zum Werk eines medial vielfaeltig arbeitenden Kuenstlers, dessen Œuvre ausufernd erscheint und dennoch so punktgenau formuliert ist, sodass Rationalitaet und Emotionalitaet dieselbe Berechtigung erfahren?

Das Atelier als Zeitkapsel

Schliesslich fuehrt der Weg nochmals zurueck an den Ort meines Erstkontaktes mit Michael Vonbanks Werk, sein Atelier im 5. Wiener Gemeindebezirk. Die Gasse, eine unbelebte Wohnstraße, das Atelier ebenerdig, das Betreten der Wohnung – der Schritt in eine andere Welt. Die Raeume hat Michael Vonbank die letzten Jahre seines Lebens kaum verlassen. Kommuniziert mit der Aussenwelt wurde vielfach ueber das Fenster zur Strasse mittels kleinen Arrangements, die gleichsam en passent mitgenommen werden konnten. Leinwaende stapeln sich in Regalen und im Raum. Doch was neben der Fuelle an Artefakten noch mehr auffaellt - jeder Quadratzentimeter der Wände ist hier beschrieben, gleich eines mittelalterlichen Palimpsests lagert Schicht über Schicht Denkwuerdiges und Bemerkenswertes hier niedergeschrieben samt Datum der Vollendung. Es ist wohl dieses Zusammenfuehren der geistigen Fuelle in ein fuer andere rezipierbares Mass, das uns Vonbank in seinem Werk hinterlassen hat. Gleichzeitig verdichtete sich sein Umfeld ganz buchstaeblich durch dieses immer wieder uebereinandergelegte zarte Gespinst aus Worten zu einem nahezu kompakten Kokon. Es ist dies ein sehr intimer Ort, in dem man nahezu koerperlich erfaehrt, was Verdichtung bedeuten kann. Die Bilder indes warten bunt und eindringlich, wie sie sind, auf und davon zu flattern, in welche Welten auch immer.

Dieser Text ist erschienen im Katalog "Michael Vonbank. Daemonentheater. Arbeiten 1986 - 2015. Ein Ueberblick". Herausgegeben von Beate Sprenger mit Texten von Christian Ludwig Attersee, Daniela Gregori, Lucas Gehrmann, Anton Herzl, Margareta Sandhofer, Beate Sprenger, Florian Steininger, Michael Vonbank und Vitus Weh. Verlag fuer moderne Kunst, Wien 2022, ISBN: 978-3-9035-7269-9

 
 
 
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